Die Schöpfungsgeschichte von Heliopolis

Die alten Ägypter glaubten an verschiedene Schöpfungsmythen.

Einer davon war die Schöpfungsgeschichte von Heliopolis.

Die altägyptischen Schöpfungsmythen

In ihren Geschichten beschäftigten sich die alten Ägypter auch mit der Frage nach der Entstehung der Welt.

Dadurch entstanden im Laufe der Zeit verschiedene Mythen, deren sinnvolle Niederschreibung jedoch erst in der Zeit der Ptolemäer und Römer stattfand.

In der Epoche der Pharaonen gab es ebenfalls einige Erwähnungen und Bilder über die Schöpfungsvorstellungen der Ägypter.

Zu den bekanntesten Schöpfungsgeschichten gehörten:

  • die Schöpfungsgeschichte von Heliopolis
  • die Schöpfungsgeschichte von Hermopolis
  • die Schöpfungsgeschichte von Memphis
  • die Geschichte von Gott Amun
  • die Schöpfungsgeschichte von Elephantine

Der Schöpfungsmythos von Heliopolis

Zu den bekanntesten und möglicherweise ältesten ägyptischen Schöpfungsmythen gehört die Schöpfungsgeschichte von Heliopolis.

Ihr Alter beträgt ungefähr 5000 Jahre.

Kein Schöpfungsmythos fand derartige Verbreitung wie sie.

Die Stadt Heliopolis (Stadt der Sonne) lag in Unterägypten in nordöstlicher Richtung der heutigen Hauptstadt Kairo und entstand im frühen Alten Reich (2700 bis 2200 v. Chr.).

Diese Epoche galt unter den Ägyptern als Goldenes Zeitalter, das zahlreiche kulturelle Höhepunkte hervorbrachte, zu denen u. a. die zahlreichen Geschichten gehörten.

Die Urzeit

Gemeinsam hatten die verschiedenen Schöpfungsmythen, dass sie mit der Urzeit begannen, in der sich der Kosmos bildete.

Es fand oft eine Gleichsetzung mit Nun statt, das als „Wasser des Chaos“ galt.

Geprägt wurde diese Epoche durch tiefe Finsternis.

Aus dem Urozean ragte ein Erdhügel empor, aus dem schließlich die Schöpfung hervorging.

Die Bewohner von Heliopolis verehrten den Urgott Atum. Dieser erschuf sich selbst durch seinen eigenen Willen und stieg aus dem Wasser empor.

Gleichzeitig bildete sich mit dem Urhügel das erste Land, auf dem sich Atum niederlassen konnte.

Später spie Atum seinen Sohn, den Luftgott Schu, aus und erbrach seine Tochter Tefnut, die Feuchtigkeit.

Als Tefnut und Schu Atum eines Tages verließen, machte dies Atum so traurig, dass er weinen musste.

Aus seinen Tränen bildeten sich die ersten Menschen. Als die Tränen zu Boden gingen, nahmen sie menschliche Gestalt an.

Atums Auge

Weil Atum unbedingt seine Kinder wiederfinden wollte, machte sich eines seiner Augen auf die Suche nach ihnen.

Schließlich fand das Auge Schu und Tefnut und brachte sie wieder zu ihrem Vater zurück.

Allerdings musste das Auge feststellen, dass Atum inzwischen ein neues Auge besaß.

Um sein altes Auge nicht zu kränken, verlieh der Urgott ihm mehr Macht.

Außerdem setzte er es in seine Stirn ein.

Damit das Auge Atum vor seinen Feinden schützen konnte, nahm es die Gestalt der Uräusschlange an.

Jetzt stand Atum nichts mehr im Wege, um die Welt zu erschaffen.

Wie Himmel und Erde entstanden

Atums Abkömmlinge Schu und Tefnut hatten sich derweil ineinander verliebt.

Aus ihrer Beziehung gingen die beiden Kinder Nut und Geb hervor.

Auch Nut und Geb verliebten sich ineinander, was jedoch Schu missfiel.

Nut wurde von ihrem Vater ins Weltall versetzt, wo sie als Göttin des Himmels fungierte.

Geb wurde dagegen zum Gott der Erde, während Schu zum Gott der Lüfte aufstieg.

Trotz allem waren Nut und Geb in der Lage, vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter, hervorzubringen.

Sie trugen die Namen Osiris, Seth, Isis und Nephthys.

Auf diese Weise waren neun Götter entstanden, die die Neunheit von Heliopolis genannt wurden.

Der Osirismythos

Osiris stieg zum König der Erde auf, während Isis seine Königin wurde.

Lange Zeit regierte Osiris in Güte die Welt.

Weil sein Bruder Seth jedoch eifersüchtig war und selbst nach der Macht trachtete, ermordete er Osiris schließlich.

Während Seth der neue König war, begab sich Osiris in die Unterwelt.

Da Osiris und Isis einen Sohn namens Horus hatten, trat dieser gegen Seth an.

Nach langem, hartem Kampf gelang es Horus, Seth zu schlagen und selbst König der Welt zu werden.

Sein Vater Osiris stieg dagegen zum König der Unterwelt auf.

Der Fluch des Ra

Manche Versionen der Schöpfungsgeschichte von Heliopolis ersetzten Atum durch den Sonnengott Ra oder Re.

Der griechische Literat Plutarch (45 bis 125 n. Chr.) berichtete in einer Geschichte von einem Fluch des Sonnengottes. Als er bemerkte, dass Nut und Geb intim miteinander verkehrten, sprach er den Bann aus, dass sie kein Kind zur Welt bringen sollten.

Die Götter erblicken das Licht der Welt

Durch den Fluch war Nut so verzweifelt, dass sie Rat bei dem weisen Gott Thot suchte.

Thot hatte den Einfall, jeden Tag ein Brettspiel gegen den Mond zu spielen.

Tag für Tag gewann er den 72. Teil und zählte sämtliche Gewinne zusammen, sodass aus den bisher üblichen 360 Tagen im Jahr 365 Tage wurden.

Weil die weiteren fünf Tage nicht zum eigentlichen Kalenderjahr zählten, fielen sie auch nicht unter Ras Fluch.

So war es Nut möglich, ihre Abkömmlinge Osiris, Seth, Isis und Nephthys zur Welt zu bringen.

Die Ordnung der Neunheit von Heliopolis

Die Ordnung der Neunheit von Heliopolis ging auf religiöse Konflikte zwischen den Priestern der Stadt zurück, was einige Widersprüchlichkeiten nach sich zog.

So galten in den Erzählungen über den Beginn der Welt zunächst Geb und Nut als Schöpfer der Sonne.

Später wurden dann Atum, Schu und Tefnut über sie gestellt.

Die Priester setzten Atum mit Ra gleich und der Sonnengott stieg zum Schöpfer der Welt auf.

Ein weiteres Merkmal ist das Fehlen von Horus in der Neunheit der Heliopolis.

Der Sohn des Osiris und der Isis bekleidete als König der Welt einen überaus wichtigen Rang.

Doch Horus bekam von den alten Ägyptern den Namen Harachte. In der Übersetzung bedeutete diese Bezeichnung „Horus vom Horizont“.

Weiterhin erfolgte eine Verschmelzung mit Ra zu Ra-Harachte, womit er gewissermaßen in dem Sonnengott aufging.

Es gab aber durchaus Versuche, Horus als zehnte Gottheit in die Ordnung von Heliopolis einzuführen, die jedoch letztlich scheiterten.

Stattdessen leitete Horus durch seinen Sieg über Seth eine neue Ära ein. Dadurch konnten Ober- und Unterägypten vereinigt werden, sodass Horus nun als Erbe der Neunheit von Heliopolis galt.

Eine Ablösung der Neunheit von Heliopolis fand durch Horus aber nicht statt.

Ebenso konnte Horus den Status des Urgottes Atum nicht ersetzen, sodass dieser Vorderster der großen Neunheit blieb.

Auswirkungen auf den Pharao

Der Schöpfungsmythos von Heliopolis wirkte sich auch günstig auf den ägyptischen Pharao aus.

So erhielt er als lebende Inkarnation des Gottes Horus einen Sonderstatus.

Durch den Pharao präsentierte sich Horus auch in Zukunft auf Erden.